Vergangenheit
                     und

             Gegenwart
 

 

 


Zum Filmstar hat es der Porsche 911 Speedster bislang nur einmal gebracht, nämlichin der Mafiakomödie "The Freshman" mit Marlon Brando. Wäre der Porsche 911 Speedster etwas eher auf dem Markt erschienen, Tom Selleck alias Magnum hätte sich den Wuschelkopf gekratzt und überlegt, ob er den Ferrari 308 GTS nicht gegen einen Speedster eintauschen soll. Irgendwie passen seine schwungvollen Formen unheimlich gut zu den Hügeln auf Hawaii. Don Johnsons Sonny Crocket hätte vermutlich gar nicht überlegt und seine Ferrari Daytona-Replika sofort mit Absicht um einen Baum gewickelt. Der Speedster sah schärfer aus, als selbst Miami Vice erlaubt und Steve McQueen und James Dean hätten sich unter Garantie um diese Autos geschlagen. Den Vorgänger besaßen nämlich beide.

 Die Entwicklung des Speedster war auf Anregung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Peter W. Schutz und des Entwicklungschefs Professor Helmuth Bott seit Ende 1980 noch auf SC-Basis gestartet worden. Während die Serienfertigung des Cabrios anlief, im September 1982, legten die Designer in Zuffenhausen gerade letzte Hand an ein 1: 1 Modell in Plastilin. Ein halbesJahr darauf war der später Bott-Speedster genannte Prototyp fertig.

Anstelleder Rücksitze besaß das Auto eine in Wagenfarbe lackierte Abdeckung mit einer Hutze hinter dem Fahrersitz. Die um das Cockpit herumlaufenden Scheiben waren kaum eine Handbreit hoch und ließen es bei Geschwindigkeiten über  

50 km/h ratsam erscheinen, einen Helm aufzusetzen. Es handelte sich weniger um ein ernsthaftes Vorserienexemplar, sondern um eine von gesetzlichen Vorschriften und Fragen um Alltagstauglichkeit gänzlich unbeschwerte Reminiszenz an die Rennroadsterherrlichkeit vergangener Jahrzehnte. Der ungeheure Erfolg des Cabrios blies der Speedster-Idee jedoch das Lebenslicht aus und der Bott-Speedster fand in Weissach in Garage Nr. 26 seine Ruhestätte. Aber nicht seine Letzte. Am 23.06.1986 erhielt Helmuth Bott einen Vorentwicklungsauftrag. Für die nächsten drei Monate forschte ein Team aus Juristen und Ingenieurenalle in Frage kommenden Sicherheitsgesetze aus und legte die Eckdaten fest. Der 7. Oktober 1986 war schließlich der Tag der Entscheidung: Der Vorstand der Firma erteilte den Entwicklungsauftrag.
Geizte schon das Cabriolet nicht mit seinen Reizen, so präsentierte sich der Speedster im Vergleich noch eine ganze Ecke offenherziger.  Der Strip begann mit der um 8 cm gekürzten und um 5 Grad stärker geneigten Windschutz- scheibe, die auch demontiert werden konnte. Die Rücksitze fehlten ganz, das Notverdeck verbarg sich unter einer Abdeckung ausglasfaserverstärktem Kunststoff mit zwei Hutzen. Nur an Stelle der ursprünglich vorgesehenen Steckscheiben waren Kurbelfenster getreten. Seine Premiere erlebte das Auto in perlmuttweiß und schmaler Karosserie auf der IAA 1987 in Frankfurt. Der Erfolg ließ nicht langeauf sich warten. Die Käufer rannten Zuffenhausen buchstäblich die Tür ein, Kaufverträge wurden mit hohen Aufschlägen gehandelt. Doch vergebens, die Weichen für den Nachfolger Porsche 964 waren schon lange gestellt:  Im Sommer1989 ließ Porsche die alten Produktionsanlagen im ehemaligen Reutter-Karosseriewerk demontieren, auf denen der Porsche 911 Carrera mit 3,2Liter Maschine vom Band lief. Wie viele Speedster nun wirklich gebaut wurden, ist ein Geheimnis: Offiziell liefen 2103 Exemplare vom Band, 171 davon in Schmalversion, der Rest mit Kotflügeln, Rädern und Bremsen des Porsche Turbo. Daneben existiert noch eine unbekannte Anzahl von Vorserienexemplaren und Werksumbauten.
Bei dem ungeheuren Erfolg des 911 Speedster ist es seltsam, dass die Fans drei Jahre auf den Nachfolger warten mussten. Erste Entwürfe präsentierte die Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" schon 1988. Aber erst im Oktober 1992 präsentierte sich der 964 Speedster dem zahlungskräftigen Publikum. Apropos zahlungskräftig: Kostete der alte Speedster von 1989 mit 110 000 DM Neupreis rund 20 000 DM mehrals das Cabriolet, waren für den Nachfolger im Vergleich mit 131 500 DM zehn Riesen weniger auf den Tisch zu legen als für den 964 mit gefüttertem Stoffdach. Eine Rückbesinnung von Porsche auf die alten Zeiten. Schon in den fünfziger Jahren waren die puritanischen Speedster die billigsten Versionen desPorsche 356. 

 

 

Allzu puritanisch war der 964 Speedster aber nicht mehr. Sicher, er hatte keine Rücksitze und der Fahrer musste das Verdeck wie beim Vorgänger noch per Hand bedienen. Aber das Auf- und Zuklappen ging deutlich leichter und ohne gequetschte Finger. Wassertropfen verirrten sich nur noch bei Windstärke zehn ins Wageninnere, und die Fenster surrten auf Knopfdruck elektrisch rauf und runter. Die Standardkarosserie basierte nun auf der Serienversion des 964 Cabriolet, nur wenige Exemplare entstanden imTurbolook. DieSchalensitze und Türschlaufen hatte sich der Speedster vom Carrera RS geborgt. Bei einer weiteren Neuerung raufte sich manch alter Speedster-Fan die letzten vom Fahrtwind verschonten Haare: auf Wunsch gab es den 964 Speedster sogar mit Tiptronic. Auch, dass bei dem Neuen die Windschutzscheibe nicht mehr abnehmbar war, verdeutlicht, das nun auch beim Speedster der Fahrkomfort im Mittelpunkt stand. Mit 930 Exemplaren blieb der 964 Speedster deutlich seltener als der alte 911 Carrera Speedster. Der Sportwagenmarkt hatte nach dem Höhenflug Ende der achtziger Jahre wieder Bodenberührung erreicht. Viele Speedster-Fans zogen es vor, sich an Stelle des Neuen den Vorgänger als Gebrauchtwagen in die Garage zu stellen. Recht hatten sie. Bei fast identischen Außenmaßen wirkt der Alte dank seinerausgestellten Kotflügel deutlich bulliger und mit seinen schwarzen Kunststoffteilen auch profilierter und knackiger. Der 964 leidet optisch ein wenig  unter seiner hohen Flanke. Im direkten optischen Vergleich erscheint er schüchtern und  schamhaft, wogegen  der 911 Carrera hemmungslos kokettierte. Damit mirj etzt bloß keine Missverständnisse entstehen: auch der 964 Speedster ist einverdammt scharfer Schlitten, aber es ist wie bei einer attraktiven Frau um die 40, wo Sie zugeflüstert bekommen: "Eine heiße Alte“, aber Du hättest sie erst mal als junges Mädchen sehen sollen.  

Eine Menge Fahrspaß versprechen indessen beide und deswegen haben wir uns von jedemAuto ein Exemplar geschnappt. Oliver Engel kam mit einem  Kundenfahrzeug  

911 Carrera 3,2 Speedster-Umbau  in „Zinkmetallic“  

 

 

 

 

 

und Jürgen Grenz mit seinem grandprixweißen  964 Carrera 2 Speedster

Nach vorsichtigen ersten Annäherungs- versuchen in der "dritten Gangart"

sind wir aus dem nördlichen Ruhrgebiet in das Münsterland  auf Fototour gefahren. Vom Festspielhaus im Stadtgarten der Ruhrfestspielstadt Recklinghausen ging es direkt auf die B 51 durch die Waldgebiete  „Haard und Hohe Mark“ um dann in das schmeichelnde grün und gelbbraun schattierende Münsterland einzutauchen. Sie schlängelt sich durch Wald und Wiesen, die Reifen singen insanften Kurven und es reizen immer wieder kurze Geraden zum heftigen Draufsteigen. Hier sind die beiden Renner in ihrem Element.
 

Schon mit geschlossenem Verdeck, die Stoffkappe wie eine Baskenmütze tief in die Windschutzscheibe gezogen, ziehen die beiden alle Blicke auf sich. Und der 964 Speedster sorgt gleich für eine Überraschung, er erscheint weit aggressiver als in der Erinnerung.
 

Ist das Verdeck dann unter der Kunststoffabdeckung hinter dem Cockpit verstaut, eröffnet sich bei beiden Speedstern der gleiche Blick: Nach vorne über die beiden markanten Kotflügel mit den damals noch senkrechten Scheinwerfern, nach hinten zu den beiden Höckern. Darüber schauen kann man auch, vorausgesetzt, man ist mindestens 1,85 Meter groß. Ein Dreh am Zündschlüssel. Jaaa, so klingen halt nur alte Neunelfer. Satt und brav grummelnd im Leerlauf, aber immer einbisschen bedrohlich. Bereit, alles im Nullkommanix zu zersägen, was sich mit ihnen anlegen will. Beim Gasgeben zieht der Neuere dem Alten knapp davon. Dazu verteilt er seine Muckis gleichmäßiger über das gesamte Drehzahlband, fährt sich darum entspannter. Grad beim offenen Auto, spielt halt auch die Akustik mit. Da haben beide Speedster eindeutig den Boxer im Heck. Dieses geile,Verzeihung, gierige Jaulen nach mehr bei langsamer Gangart, und dann erst das metallische Fauchen beim Gasgeben und das freudige Brüllen bei hoher Drehzahl, das bringen beide soungedämpft rüber.Während der alte Speedster das selbe Cockpit und Gestühl hat wie die anderen Carrera, vermitteln die Sitzschalen oder auch Turbositze beim 964 nicht nur super Seitenhalt, sondern auch Geborgenheit.  

Dazu zeigte Porsche bei 964 endlich mal Mut zur Farbe. Das Armaturenbrett erstrahlt im gleichen Weiß,Silber, Rot, Gelb oder Blau wie das gesamte Auto. Unser Fotoexemplar hat das Airbag-Lenkrad und einen Beifahrer-Airbag. Denn Sicherheit geht vor Schönheit. One Airbags verfügte der 964 Speedster über ein wunderschönes, griffiges Dreispeichenvolant.  Muskelpakte wie beim Vorgänger, um daran zu drehen, braucht niemand mehr: der 964 hatte als erster 911er Servolenkung. Beim Heizen über die Landstraßen merkt man schnell, dass sich der 964 nicht nur viel leichter als der Vorgänger fährt, sondern auch weitaus präziser. Aber der Fahrtwind, der uns mit böigen Fingern die Kopfhautmassiert, den haben die beiden Zuffenhausener Windsbräute gemeinsam. Es reicht vom sanft fächelnden Lüftchen bei Ortsdurchfahrten bis zur steifen Brise auf den langen Geraden. Und bei einem kurzen Abstecher auf die Autobahn heulen die Boxer mit dem Orkan im Cockpit um die Wette, dass es eine wahre Freude ist.  

Das Frischlufterlebnis ist das einzige, was der 964er im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht in milderer Form präsentiert. Gegenüber moderneren Varianten faszinieren beide mit ihrer Rohheit. Wo ein Boxster wie eine CD wirkt, fühlt man sich bei unseren Speedstern in ein Lifekonzert versetzt und beide vermittelten uns das Gefühl, selbst auf der Bühne zu stehen. Dennoch, liebe Leser, ich muss gestehen: Wenn jene berühmte Fee mir die Wahl ließe, ich würde mich eher für den 964 entscheiden. Um dann mit Hochgenuss, dem alten Carrera hinterherzufahren. Und dann werde ich auch verstehen, warum der 911 Speedster nur einen einzigen Filmauftritt hatte: Er stiehlt einfach jedem die Schau und der Slogan von Mister Speedster:
                                           "Porsche fahren ist wie Rock´n´Roll"  
wurde mal wieder bestätigt.
 

Porsche-Freak

Drei Infizierte mit dem selben Virus 

 

 

                 Oliver                                Jürgen                                 Pascal